Die Silberhäutchen
Beim Rösten von Kaffee fällt häufig etwas auf, das viele vielleicht kaum wahrnehmen: eine hauchdünne Haut, die sich vom Bohnenkörper ablöst und meist als Abfallprodukt gehandelt wird. Diese Haut wird im Fachjargon als Kaffeesilberhäutchen (englisch coffee silverskin) bezeichnet. Und obwohl sie so unscheinbar erscheint, steckt in ihr überraschend viel Potenzial – sowohl ökologisch als auch ernährungs- und technologisch. In diesem Blog-Beitrag schauen wir uns an, was genau diese Silberhäutchen sind, wie sie entstehen, welche chemischen und biologischen Eigenschaften sie besitzen und warum sie eine Rolle für nachhaltige Kaffee-Produktion und Neuverwertung spielen können.
Was sind Silberhäutchen?
Die Silberhäutchen sind die dünne innerste Haut (Integument) des grünen Kaffeebohnenkerns. Um den Kontext zu verstehen: Eine Kaffeekirsche besteht äußerlich aus Fruchtschale (Exokarp), dann dem Fruchtfleisch (Mesokarp), dem Pergament (Endokarp) und schließlich der Samenhülle und im Inneren dem Bohnenkern. Beim Rösten dehnt sich der Bohnenkern stark, wodurch sich diese innere Haut ablöst – und in der Röstmaschine als feines Häutchen (teilweise „Chaff“ genannt) abgesondert wird. Typischerweise macht dieses Häutchen nur etwa 1–2 % des Gewichts einer Bohne aus – dennoch kommt bei großen Mengen Kaffee ein beachtliches Volumen zusammen.
Warum ist das interessant?
Auf den ersten Blick könnte man sagen: „Das ist doch nur Nebenprodukt, bleibt beim Rösten übrig – also weg damit.“ Aber: In den letzten Jahren sind mehrere Forschungsarbeiten erschienen, die zeigen, dass Silberhäutchen mehr sind als schlichtes Abfallmaterial. Hier einige Gründe: Nachhaltigkeit: Da die Kaffee-Industrie global enorme Mengen an Rohkaffee produziert, fallen auch viele Nebenprodukte an. Die Nutzung von Silberhäutchen trägt dazu bei, Abfall zu reduzieren und Kreislaufwirtschaft („circular economy“) zu fördern. Bioaktive Inhaltsstoffe: Silberhäutchen enthalten u. a. Ballaststoffe, Proteine, Polphenole, Chlorogensäuren und sogar Koffein. Potenzial als Lebensmittel- oder Zusatzstoff: Erste Studien zeigen, dass sich Silberhäutchen als Zutat in funktionellen Lebensmitteln einsetzen lassen – etwa zur Erhöhung von Ballaststoffgehalt oder Antioxidantien.
Chemische und ernährungsphysiologische Zusammensetzung
Um das Potenzial abschätzen zu können, schauen wir genauer, was in Silberhäutchen steckt: Ballaststoffe: In Untersuchungen wurden Gehalte von etwa 30 % bis über 50 % gefunden, wobei der Anteil an unlöslichen Ballaststoffen höher ist als der an löslichen. Proteine: Studien berichteten z. B. bei einem Extrakt von Silberhäutchen von rund 16 % Proteingehalt und sehr niedrigen Fettwerten (~0,44 %) in einem Testumfang. Mineralien: Bedeutende Mengen an Magnesium, Kalium, Calcium etc wurden nachgewiesen. Bioaktive Verbindungen: Dazu zählen Koffein, Chlorogensäuren, Melanoidinen (Röstprodukte), weitere Polyphenole. In einer Analyse waren z. B. 5,93 mg/g bzw. 4,25 mg/g bestimmter Chlorogensäure-Verbindungen gefunden worden. Sicherheit: Eine Sicherheitsbewertung für den Lebensmittelgebrauch ergab keine signifikanten Risiken für nicht-karzinogene oder karzinogene Effekte bei Silberhäutchen als Nahrungsmittel-Zutat.
Anwendungsmöglichkeiten
Die Forschung und Industrie haben Silberhäutchen in verschiedenen Bereichen untersucht: Lebensmittelzusatz: Eine Studie ergab, dass bei Zugabe von 2,6 % bis 4,6 % Silberhäutchen in Schokokuchen der Ballaststoffgehalt und die Antioxidativität gesteigert wurden – bei niedrigem Zusatz war die Sensorik (Geschmack, Textur) noch gut akzeptabel. Kosmetik/ Hautpflege: Aufgrund der enthaltenen Polyphenole und Antioxidanzien werden Silberhäutchen auch als potentieller Rohstoff für Hautpflegeprodukte diskutiert. Kaffeewirtschaft im Wandel Material-/Industrieanwendungen: Es gibt Studien, die Silberhäutchen als Füllstoff z. B. in Kunststoff-Verbunde (Composite) getestet haben. Energie/Verwertung: Statt Wegwerfen wird auch über Kompostierung oder energetische Nutzung nachgedacht. Dennoch zeigte eine Lebenszyklusanalyse, dass die Verwertung als Lebensmittelzusatz insgesamt umwelt-wirtschaftlich günstiger sein kann als klassische Entsorgung.
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